Meine Tage in Neuseeland kann ich nun an einer Hand abzaehlen. Waehrend ich versuche an Reife zu gewinnen, mir noch Gedanken zu meinen Lebensaufgaben stelle, ist jemand neues angekommen, um die Insel mit neugierigen, grossen Kulleraugen zu betrachten. Aber alles der Reihe nach:
Es ging in den Osten von Dunedin, auf die Halbinsel Otago Peninsula. Am Ende liegt die Landspitze Tairoa Head, ein Schutzgebiet wo sich die Seevoegel und Kolonien von Saeugetieren treffen. Das liegt an den Gegebenheiten. Hier sorgt das kalte Wasser, welches durch den Kontinentalsockel nach oben gedrueckt wird, fuer eine stetige, in Huelle und Fuelle vorhandene Nahrungsquelle.
Nur, getroffen habe ich mehr Touristen als Tiere. Da zur Besichtigung der verschiedenen Arten auch noch hohe Eintrittsgelder verlagt wurden, gab es also nichts mit meinen geplanten Photos der Albatrosse und Pinguinkolonien. Ausserdem hatte ich gerade angefangen den Schwarm zu lesen, da war mir nicht mehr nach gefuehrten Touren. (Leider hat sich in dem Buch ne gute Idee durch viel Cowboymentalitaet langsam verfluessigt, trotzdem wer boese Amerikaner und viel Aktion mag, eine Empfehlung).
Aber es gibt ja noch die Pinguine weit draussen am Strand, die irgendwo am Abend mal ans Ufer kommenen. Und ich habe ja Zeit. Also hockte ich mich drei Stunden in der Abenddaemmerung in die Duenen und wartete. Leider habe aus der Ferne nur zwei meiner Lieblingstiere zu Gesicht bekommen. Dafuer haben mir die Seeloewen am Strand die Zeit vertrieben. Es ist schon ungewoehnlich Tiere die mir nur aus dem Zoo bekannt sind, in 5 m Entfernung zu
sehen. Sind auch sehr gemaechlich die Riesen, bequem und ruhig, solange man nicht den Weg zum Meer stoert.
Ja und dann gab es ja noch das Abenteuer Strasse. In diesem Fall die steilste Strasse der Welt, die Baldwin Srtreet, deswegen auch im Guiness Buch der Rekorde. Als ich die Strasse (Steigungs ueber 38 Grad) mit dem Auto hochfuhr, hatte ich das Gefuehl jeden Moment vorn hochzugehen und sich nach hinten zu ueberschlagen.
Das reichte mir dann auch als Abenteuer. Eines gibt mir dabei nur zu denken. Wenn ich mir dabei vor Angst schon fast in die Hose mache (wie gesagt, mit dem Auto eine fuer den Anliegerverkehr zugelassene Strasse hochzufahren), wie soll ich dann groessere Abenteuer bestehen? Fuer die Fahrt kann man sich unten am Office eine Urkunde geben lassen, war mir aber dann doch zu albern. Wobei, die haette sich gut neben meinem hart erkaempften Jugendschwimmerzeugnis gemacht.
Was solls, am naechsten Morgen hiess das Ziel die Moeraki Boulders. Es handelt sich um, bis zu 4 m im Umfang, grosse Steinkugeln. Die Form hat nicht das Meer herausgespuelt, sondern sie entstanden vor rund 60 Millionen Jahren auf dem Grund eines Urmeeres um Kalkkerne herum. Im kleinen zeigt es uns die Entstehung einer Perle, der Geologe nennt es Konkretion.
Die Maori gaben den Felsen den Namen Te Kai-hinaki, was soviel wie Vorratskoerbe bedeutet.
Voratskoerbe eines grossen Kanus, das auf der Suche nach pounamu -Jade- war.
Ich will nicht wieder mit Murmeln fuer Riesen kommen. Mich erinnert das vielmehr als die Urfassung eines Moebelstueckes, quasi der Phillipe Stark aus der Eiszeit.
Ja und dann musste ich Weite um mich herum haben. Die Nacht habe ich mal wieder nicht viel geschlafen, weil die Gedanken sich auf und davon machten. Es ist immer wieder die Einsamkeit die weh tut, aber auch neue Sichtweisen hochbringt. Sich aus seinem geschaffenen Schutz, seinen An- und Gewohnheiten zu loesen, dass ist nicht leicht, ja oft sehr unangenehm. Nur, dass ist ein wichtiger Grund meiner Reise. Jetzt habe ich ja 2 Monate nichts getrunken, keine Arbeit hat mich abgelenkt und die Zeit nachzudenken ist reichlich vorhanden. Trotzdem, letztens eine Meinungsverschiedenheit am Telefon und ich reagiere wie ein bockiges Kind.
Die Bockigkeit habe ich mir mal hier so mitten in den Bergen, mit dem Dahingleiten ueber endlosen Strassen angeschaut. Dabei kam mir das Gesicht mit dem Auge eines alten Elefanten deutlich in den Sinn, das Gesicht wurde aelter, es erinnerte mich an eine alte Schildkroete, dann an einen Dinosaurier. Dieses Gesicht bin ich, alle die tiefen Falten schleppe ich so viele Leben schon mit mir herum.
Manche sind Lach-, die meisten aber Kummerfalten. Das schoene, ich spuere es wie einen Hauch, dass sie weniger werden. Nicht die Falten, aber der Kummer der sich darin verbirgt.
Und irgendwie werden dann die Berge dabei immer weisser, die Seen klarer und blauer.
Erst ging es Richtung Mount Cook, den mit 3764 m hoechsten der ueber 27 Berge in
Neuseeland, die die stolze Hoehe von 3000 m uebersteigen. Es handelt sich hier um die maechtigste Gletscheranlage ausserhalb der Polarkreise mit einer Eisschicht von teilweise 600 m Dicke. Entstanden ist dieser, seit 1986 zum Kulturerbe der Unesco erklaerte Nationalpark, aus Grauwacke. Einem Sedimentgestein, das sich vor 250 Millionen Jahren in einem ozeanischen Graben ablagerte. Dann schob sich vor 2 Millionen Jahren die Verwerfung Alpine Fault langsam hoch und schuf so die Neuseelaendischen Alpen. Vor zwei Tagen kam ich nur bis an den Fuss des Berges, der Transporter zum Gipfel stand mir leider nicht zur Verfuegung.
Aber wozu habe ich meinen Jeep. Und immerhin, wenn ich darauf bestanden haette, sogar eine Urkunde ueber die Bezwingung der Baldwin Street koennte ich aufweisen. Darum, mal allen Mut zusammengefasst und sich die Strasse zum Mount Hutt hochgequaelt. Die letzten Tage gab es nur eitlen Sonnenschein, somit auch der Verzicht auf Schneeketten. Hier stand ich dann auf 2237 m mitten im Geschehen. Am Ende eine reichlich Schnee und eine tolle Aussicht, hin bis zum Pacific.
Mit einem angedeuteten Kuss verabschiede ich mich. Das Lama, eines von sehr unzaehligen die hier auf der Weide grasen, erinnerte nochmals an die Anden.
Vor knapp einem Jahr habe ich mit vielen von Euch meinen Geburtstag gefeiert, ueber sechs Monate bin ich nun unterwegs. Dazu faellt mir nicht mehr ein, als mit einer Traene im Auge zu sagen, mehr als die Haelfte meiner Zeit ist verstrichen.
Mit vielen Traenen in den Augen freue ich mich auf die anderen Haelften.