Am Hafen wartete schon die grosse Bluebridge, um uns sicher aus Wellington heraus zu fahren. Noch mal ein Blick auf die Skyline, der Hauptstadt zugewunken, dann zeigte sich weit das Tasmanische Meer. Es war ein ruhiger, sonniger Sonntagnachmittag. Keine Wellen, kein Magengrummeln, einfach nur ein ruhiges Dahingleiten.
Und die Berge im Hintergrund stimmen mich schon mal darauf ein, was so einen sonst noch erwartet, naemlich Schnee bis zum Abwinken.
Ja und dann oeffneten sie sich, die malerischen Marlborough Sounds. Es ist die Fahrt durch die eigentliche Cook Strait. Da sich die neuseelaendischen Hauptinseln mit voller Breitseite gegen die starken Westwinde stemmen, ist es zwischen Cape Terawhiti und Perano Head gerade mal 20 km breit. Da heisst es ruhig das Schiff hindurch zu manoevrieren. An diesem Tag ist es wunderbar gelungen, obwohl, unendliche Buchten, Inseln und Halbinseln lassen das wilde Festland kaum erkennen. Hier finden sich kleine Straende, wackelige Schifsmolen und traumhafte Buchten.
Angekommen in Picton, ging es direkt nach Nelson weiter. Auch hier wieder fazinierend, dass es ein Land gibt, wo in einer sogar groesseren Stadt um sechs die Buergersteige hochgeklappt werden. Allerdings habe ich mir das beste Fischrestaurant vor Ort nicht entgehen lassen, denn die hatten tatsaechlich ein wenig laenger auf. Mit Blick in die untergehende Sonne schmeckt es nochmal so gut.
Ziel am naechsten Morgen war die Golden Bay. Ein endloser, sandiger Kuestenabschnitt, dem der Name durch die frueheren Goldfunde gegeben wurde. Eine teilweise zerklueftete, unzugaengliche Gegend. Hier wurden grosse Teile des Filmes Herr der Ringe gedreht, hier kaempft die Bevoelkerung aber auch immer wieder verzweifelt um gestrandete Wale in das Meer zurueck zu bringen
Mein Ziel Takaka, eine kleine vertaeumte Stadt (na ja, das sind die eigentlich alle hier). Dieser beschaulicher Ort deshalb, weil ich der Schwester eines Arbeitskollegen Tach sagen wollte. Sie ging von Koeln ueber Berlin nach Neuseeland, wo sie hier seit 25 Jahren lebt. Nikita und ihr Kiwi Mann Peter haben mich sehr freundlich aufgenommen. Die Chemie stimmte, also hatte ich ich fuer 4 Tage mein kleines Heim.
Peter ist ein Allroundgenie. Dieser Mann macht und kann einfach alles. In ihrer gemeinsamen Gallerie arbeitet er als Goldschmied. In der Garage warten noch einige Autos auf ihre Restauration. Neben einem 69 Fiat Bambino, dem Midget MG aus dem Jahr 64 sind weiterhin fertig, ein 1934 Morris Minor und ein blauer schnuckeliger Austin 7 aus dem Jahr 1935. Diesen Wagen koennte ich sofort fuer 2000 Euro kaufen. Ein Schnaeppchen, aber ich lass das mal.
Selbstverstaendlich haben die beiden ihr grosses Haus selbst gebaut. Und da der Neuseelaender an sich ja Zeit hat, steht mitten im Wald noch ein kleines Schloesschen aus Holz, hat Peter gebaut.
Mit Nikita konnte ich den Tag ueber lange, sehr ernst und tiefsinnig ueber Menschen und die Welt quatschen. Mit Peter stand ich abends stundenlang an einem riesen Snoocer Tisch und bekam eine Abreibung nach der anderen. Kraft gab mir dann der grosse Garten, da sich Orangen- Zitronen- und Olivenbaeume in all ihrer Bluete und Pracht zeigten.
Tagsueber haben wir die Gegend erkundet und Freunde besucht (so habe ich einen kleinen Eindruck in das Leben der Kiwis gewonnen), nachts bekam ich dann waermenden Besuch in meiner kalten Huette. Da konnte ich die Eindruecke auch sacken lassen. Denn ehrlich gesagt, so unendlich schoen das hier alles ist, so unendlich einsam aber auch. Vielleicht komme ich auch in ein paar Jahren nochmals zurueck, ein Arbeits- und Wohnungsangebot vom ansaessigen Organic Imker habe ich, so dass ich das Leben hier vertiefen koennte.
Dank der hervoragenden Ortskenntnis von Nikita und Peter hatte ich kompetente Beratung auf den Wanderungen. Beeindruckend die Whaihoro Pupu Springs, ein Waldgebiet mit alten Goldstollen und den groessten Frischwasserquellen des Landes. Hier befinden sich mindestens 16 Quellen, die unendlich das kristallklare Wasser sprudeln lassen. Diese absolute Reinheit des Wassers ergibt sich unter anderem daraus, dass es bis zu 200 Jahren braucht, sich aus den Tiefen der Erde empor zu arbeiten.
Oder es ging entlang eines kleinen Weges, den Abgrund immer nah und beaengstigend vor Augen. Durch dickes Gebuesch, dem alten Goldgraeberglauben auf der Spur. Denn diese Gegend ist wirklich Ende des 19. Jahrhunderts fast umgepfluegt worden, immer den Reichtum im Sinn.
So machte auch ich vor den alten Goldgraeberminen nicht halt. Mit dem Wissen das es keine Schlangen oder gefaehrliche grosse Raubtiere hier gibt, ging die Suche nach dem glaenzenden Edelmetall mit mir durch. Also rein in die dunkelste Hoehle.
Gut, Gold habe ich nicht gefunden, aber der Wald an sich ist ja ergiebig und ich eher so ein Jaegertyp. Also trug ich sie stolz, meine gejagte Errungenschaft.
Nur dann kam der Tag, da war ich mal allein unterwegs und das Grauen tat sich auf. Denn ich fuhr in die Groove Scenic Reserve und erlebte live mein vor paar Tagen gehoerte Buch "Ense und Grete". Am eigenen Leib spuerte ich wie es ist, sich in einem Zauberwald zu verlaufen.
Erst ging es schoen ueber den Walk zum herrlichen Aussichtspunkt. Mitten durch grosse bewachsende Felsen, getaucht in ein Graugruen koennte hier die Artussage entstanden sein. Undurchdringlich und verwachsen spriessen maechtige Ratabaeume auf lebendig geformten bis 50 m hohen Kalksteinfelsen. Nur eine Spalte gibt den Blick in die reale Welt frei. Ja und hier machte ich mich nach dieser wunderschoenen Aussicht wieder auf den Rueckweg.
Da kommt mir ein langhaariger, mit Gummistiefeln sympatisch laechelnder Typ entgegen und fragte mich, ob ich nicht etwas genauer die Gegend erkunden wollte. Er fuehrte mich an eine grosse Wurzel, an der ich 4 m in die Tiefe klettern sollte, um mich dann entweder an den roten oder blauen Markierungen zu orientieren. Wenn ich ihn richtig verstand, wuerde ich so sehr schoene Blumen und atemberaubendes Dickkicht erleben. Nur nicht verlaufen, nuschelte er in seinem undeutlichen Englisch und liess mich in der aufkommenden Abendsonne allein. Ein wirklicher Dschungel erwartete mich. Vorsichtig und langsam tastete ich mich durch Farne, Lianen an tiefen Felsschluchten vorbei. Oft ging es auch wieder in die Hoehe mit Blick in die Tiefe. Tief hiess, abgeruscht ging es 10 m ins
Unbekannte. Ich habe die erste halbe Stunde die Suche nach den Markierungen und den Wald mit seinen Geheimnissen genossen. Nur langsam zog die Daemmerung herauf undd ich wollte raus. Wie schon geahnt, dass ging nicht mehr. Die Markierungen fuehrten mich im Kreis. Panisch stuerzte ich in und auf vermeinliche Wege. Es ging teilweise durch so enge Felsspalten, dass ich nur mit Luft anhalten durchkam. 2x, denn ich musste zurueck, weil Weg zu Ende, glatte 15 m in die Tiefe.
Jetzt weiss ich auch, warum Indiana Jones ne Machete hat, denn Lianen, Farne, haengende Wurzeln und absolut undurchdringliches Blaetterwerk standen im Weg. So musste ich einige Male ins Ungewisse springen. Als ich dann aber einmal so hinfiel, das ich mit meinem Auge nur 20 cm neben (oder fast in einem dicken spitzen Ast gelandet bin) bekam ich langsam Angst. Angst auch vor der Kaelte, denn meine langsam immer lauter werdende Hilferufe (irgendwann habe ich eigentlich nur noch hysterisch geschrien) verhallten im dichten Wald. Ausserdem bluteten und pochten 2 lange tiefe Schnitte in meiner Hand, aufgerissen beim Klettern in die unbekannte Wand.
Als ich diesen maerchenhaften Ort anfuhr (und maerchenhaft ist er wirklich, denn ohne viel Phantasie ist in fast jedem Fels ein Gesicht zu erkennen) habe ich gesehen, dass das Areal nicht riesig ist. Also wird mich schon jemand spaetestens am naechsten Tag hoeren, nur, nachts wird es saukalt und lange konnte ich in und auf den grossen Felsen nicht mehr rumturnen. Natuerlich musste ich auch lachen, zum einen, weil ich mittlerweile von oben bis unten durch haeufige Stuerze mit nassem Waldboden bedeckt war (das war aber auch zum Heulen, nass und hilflos in der aufkommenden Dunkelheit) zum Anderen, weil ich es selbst schuld war. Schliesslich hatte ich Ariane versprochen nicht allein im Wald, abseits von Wegen herumzulaufen. Das liegt an meinem Orientierungssinn, der nicht nur gegen Null laeuft, sondern der noch weniger als Null ist.
Nun ja, ihr lest die Seite, also bin ich da wohl wieder raus. Nachdem ich die letzte Stunde fast nur noch im Laufschritt alles an vermeindlichen Wegen ausprobiert hatte, setzte meine eiskalte Ueberlegung und Intelligenz wieder ein und ich dachte mir auf jeden Fall Richtung Tiefe und entlang der blauen Markierung. Wieder mal durch einen Felsspalt, akrobatisch 5 m am Felsen in die Hoehe und dann sah ich tatsaechlicch den befestigten Weg. Nach drei
Stunden war das Abenteuer schwitzend und vor Dreck stehend beendet.
Also fuer mich gibt es jetzt nur noch den befestigten Wanderweg mit vielen Schildern. Ich liebe Schilder. Was mich aber auf dem Nachhauseweg nicht abhielt, auf ein falsches Schild zu schauen, Ergebnis: prompt wieder in die entgegengesetze Richtung. Nun denn ich habe es geschafft, das ist gut so, da es noch einige kleine Wunder der Natur und natuerlich auch die Menschen zu bestaunen gibt.