Am Atitlansee, im verschlafenen kleinen San Pedro la Laguna, am Fusse des Vulkans in dunkler Nacht, glitzern und funkeln am gegenueber liegenden Ufer die Orte San Marcos la Laguna, Tzununa, Santa Cruz und Panachel. Wie kleine, leuchtende Kerzen blitzt, blinkt und flackert es in der Nacht. Die dunkle Bergkette ist als solche nur zu erahnen, denn mitten im Nichts setzt sich dieses Flackern und Flimmern durch die Doerfer Santa Maria Visitacion, San Jorgela Laguna und San Andres Semetabaj fort. Und das Schoene an einer tiefschwarzen, mond- und wolkenlosen, aber sternklaren Nacht ist, zu beobachten wie sich die Sterne am dunklen Firmament ganz tief herab beugen und ebenfalls wie kleine Orte blinzeln. Ich setze mich auf den Balkon, lasse diese tausend kleinen Kerzen von gegenueber auf mich wirken und alles herum wird unglaublich ruhig, beruhigend und sehr entspannt.
Und in der beginnenden Morgendaemmerung steigen die Vulkane Toliman, San Pedro und Atitlan majestaetisch aus dem See.
Jetzt ist es fuenf, Zeit zum Aufstehen, denn heute ist die Vulkanbesteigung angesagt. Also mit Guide durch einen herrlichen Nationalpark den San Pedro rauf, will sagen 4 Stunden Aufstieg und 3 Std wieder runter. Warum?
Zum Einen des Wanderns und der Landschaft willen (gerade mit dem Fernglas sind seltene Tierarten zu beobachten) und zum Anderen um mir in der Ruhe und Einsamkeit in ueber 3000 m auch mal wieder Fragen zu stellen.
Richtiger eigentlich, lernen Fragen zu stellen. Da ich sie mir natuerlich nicht allein beantworten kann, schreibe ich sie nieder, stelle sie in den Raum.
Heute ist es mal die Stille, nicht zu verwechseln mit der Ruhe, dem voelligen Relaxen, einem tiefen Aus- oder Durchatmen, nicht dem Gefuehl der unglaublichen Entspannung, nein, es ist die Stille. Besser gefragt, ist die Stille eigentlich zu hoeren?
Wie kann ich etwas hoeren, was sehr wichtig, ja was eigentlich lebensnotwendig ist, den Einlass in mein Innerstes begehrt.
Ich weiss nicht, ob und wie ihr die Stille hoert, wahrnehmt, in ihr aufgehen koennt. Vielleicht gibt es eine Idee, einen Vorschlag, eine Lebensphilosophie um diese Frage zu beantworten. Waehrend ich hier schreibe kommen Zweifel, ob ich so direkt fragen kann. Ob ich solch eine Frage nicht einfacher in einen Roman, eine Fabel oder ein Maerchen verpacken soll. Denn etwas Direktes kann in seiner Kompromisslosigkeit vor den Kopf stossen, Unverstaendnis hervorrufen, aus dem Unbewussten abgelehnt werden. Natuerlich kann diese Frage auch mit der Inbrunst der Ueberzeugung, was fuer ein Bloedsinn, wat will der, wie verdreht, häähh, hat der sonst nichts zu tun, abgetan werden. Und dann dreht sich etwas im Kreis, denn wenn ich es im Unbewussten ablehne, dann ist es ja auch nicht da oder?
Also, ich bleibe jetzt bei der Form der direkten Frage, das ist unangenehmer, ist in dieser Kompromisslosigkeit unbequem.
Ich lerne und versuche Stille zu hoeren, weil ich keine Stille hoeren kann. Da ist das ununterbrochene Rauschen des Tinnitus, welches erst bei mir den Gedanken aufkommen laesst, mich nach der Stille zu fragen.
Dieser Tinnitus ist eigentlich ein Geschenk, denn er gibt den Anstoss Fragen zu stellen. Natuerlich kann ich versuchen ihn zu ueberdecken, mich abzulenken, aber dann hoere ich ja keine Stille.
Immer wenn ich ganz ruhig und bewusst auf den Tinnitus achte, dann wird mir Stille bewusst.
Ich schaue vom San Pedro auf den Atitlansee, das Land der Mayanachfolger Cakchiqueles und Tzutuhiles, erobert durch die spanischen Conquistadoren Herman Cortes und seinen Offizier Pedro de Alvarado und erst 1821 aus der spanischen Kolonialherrschaft entlassen und lasse in dieser Ruhe die Vergangenheit auf mich wirken.
Ist das denn nun Stille oder ist das nur eine Interpretation des Begriffes Stille?
Habt ihr schon mal den Moment von Stille, absoluter Ruhe wahrgenommen, gehoert und vielleicht sogar gefuehlt?